Die Dimensionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – insbesondere Urheberpersönlichkeitsrechte

Die Dimensionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – insbesondere Urheberpersönlichkeitsrechte

Jeder hat grundsätzlich das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit – dies statuiert seit 1949 Art. 2 Abs. 1 des Deutschen Grundgesetzes (GG). Umfasst ist nicht nur die Freiheit des Einzelnen, das zu tun und zu lassen, was er möchte und anderen nicht schadet[1](d.h. die allgemeine Handlungsfreiheit), sondern in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG) auch ein umfassender Persönlichkeitsschutz in allen Beziehungen eines Menschen.[2] Diese Rechte sind auch beim Umgang mit Forschungsdaten zu beachten, die sowohl das allgemeine Persöhnlichkeitsrecht als auch das Urheberpersönlichkeitsrecht tangieren können. 

Ähnliche Postulationen finden sich im internationalen Bereich (Art. 7 GRCh[3], Art. 8 EMRK[4] und Art. 12 AEMR[5]).

Bereits vor Verkündung des Grundgesetzes schützte die deutsche Rechtsordnung besondere Ausprägungen und Konkretisierungen durch einfachgesetzliche Persönlichkeitsrechte wie das Namensrecht in § 12 BGB oder einzelne Gehalte des Rechts am eigenen Bild in §§ 22, 23 KUG[6].[7]

Ferner schützt das Urheberrecht seit jeher das sog. „Urheberpersönlichkeitsrecht“ (inzwischen im vierten Abschnitt des UrhG[8] geregelt), d.h. alle Rechtsbeziehungen des Urhebers zu seinem Werk, die nicht vermögensrechtlicher Natur sind.[9] Auch andere Vorschriften des UrhG garantieren persönlichkeitsrechtliche Elemente (vgl. §§ 11 S. 1, 25 Abs. 1, 29 Abs. 1, 39 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1, 63, 97 Abs. 2 S. 4 UrhG).

Doch worin besteht dieses „Persönlichkeitsrecht“ eigentlich konkret? Kann es einer objektiven Rechtsordnung überhaupt gelingen, darüber zu entscheiden, ob und wenn ja, welche Facetten der Persönlichkeit des Einzelnen rechtlichen Schutz verdienen? Wie ist dieser Schutz tatsächlich rechtlich durchsetzbar? All diese Fragen sollen im folgenden Blogbeitrag beantwortet werden. Dazu werden nach einer Darstellung zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere die Dimensionen der – für das Auffinden, Aufbewahren und Auswerten von Forschungsdaten in der CLARIN-D Forschungsinfrastruktur wichtigen – einzelnen Urheberpersönlichkeitsrechte beschrieben.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR)

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein absolutes und umfassendes Recht auf Achtung und Entfaltung der Persönlichkeit. Es gewährleistet – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) – „die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen“ vor den mit den modernen Entwicklungen „verbundenen neuen Gefährdungen für den Schutz der menschlichen Persönlichkeit.“[10] Geschützt ist jedenfalls der autonome Bereich privater Lebensgestaltung jedes Einzelnen, „in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann“[11] (also seine personale wie soziale Identität[12]). Dies umfasst jedenfalls seine Privat- sowie Intimsphäre, d.h. „alle Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als privat eingestuft werden“[13], also z.B. den Schutz vor Abhören der Privatwohnung, den Schutz der persönlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern sowie die sexuelle Selbstbestimmung.

Darüber hinaus ist auch die Entscheidung über die Darstellung der eigenen Person (insbesondere in der Öffentlichkeit) sowie die soziale Anerkennung und Ehre geschützt.[14] Mit Ersterem in engen Zusammenhang steht das in neuerer Zeit entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.[15] Geschützt ist damit die Entscheidung des Einzelnen über die Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten[16] - sowohl bei staatlichen Erhebungen als auch bei Erhebungen durch Private.[17]
Auch selbst entscheiden darf der Einzelne z.B. über das Anfertigen einer Photographie seiner selbst (Recht am eigenen Bild) sowie über die Aufnahme seiner Stimme (Recht am eigenen Wort).[18]

Diese Schutzgehalte spielen zwar auf den ersten Blick im Zusammenhang mit der CLARIN-D Forschungsinfrastruktur eine Rolle– dazu sei aber gesagt, dass die verfassungsrechtliche Garantie des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht – wie alle anderen verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte – primär ein Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat ist, d.h. sie wirkt zunächst nur im Staat-Bürger-Verhältnis und betrifft keine privaten Rechtsverhältnisse (z.B. zwischen der datenerhebenden Stelle und dem Betroffenen).
Der Staat darf daher weder rechtlich noch faktisch durch Regelungen den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts beeinträchtigen[19] – an Randbereichen der rechtlichen Gewährleistung kann ihm dies ausnahmsweise bei Vorliegen guter Gründe allerdings gestattet sein.

Dem Staat kommt aber auch – zumindest in gewissen Grenzen – die Aufgabe zu, den Einzelnen vor Persönlichkeitsgefährdungen durch Dritte zu schützen.[20] Denn soweit z.B. Gerichte, die als Teil der öffentlichen Gewalt an Grundrechte gebunden sind, (einfachgesetzliche) Rechtsnormen anwenden, die diesem Schutz dienen, haben sie die grundrechtlichen Maßgaben zu beachten.[21] Entscheidet beispielsweise ein Richter, dass die Veröffentlichung eines Fotos zulässig ist, auf dem eine Person in ihrer Intimsphäre abgebildet ist, die ihre Einwilligung zu dieser Veröffentlichung nicht erteilt hat, verletzt dies nicht nur das Recht aus § 22 KUG, sondern kann auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen – auch wenn auf den ersten Blick Grundrechte in der vorliegenden Rechtsanwendung keine Rolle spielen.
Auch die Gesetzgebung muss zum Schutz vor Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch Dritte beitragen: So muss sie einen Mindestmaß an Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sicherstellen. Dies geschieht beispielsweise durch einfachgesetzliche Gewährleistungen wie z.B. §§ 12ff UrhG.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht – in seiner zivilrechtlichen Dimension – entfaltet allerdings auch unmittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen. Es ist als sonstiges Recht eines deliktischen Schadensersatzanspruchs aus § 823 BGB anerkannt.[22] Daher kann bei schweren schuldhaften Verletzungen des Persönlichkeitsrechts Schadensersatz verlangt werden. Bei lediglich rechtswidrigen Verletzungen kann zumindest ein Anspruch auf Unterlassung, Widerruf, Berichtigung bzw. Gegendarstellung bestehen.[23] Liegt eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung und ein damit verbundener immaterieller Schaden vor, kann zusätzlich eine Entschädigung in Geld (entsprechend § 253 Abs. 2 BGB; Schmerzensgeld) verlangt werden, wenn die Beeinträchtigung nach Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann.[24]

Doch wie lange besteht das allgemeine Persönlichkeitsrecht eigentlich? Grundsätzlich endet es mit dem Tode der betroffenen Person. Nur ausnahmsweise kann der Persönlichkeitsschutz auch nach dem Tode fortwirken: Eine geschriebene Ausnahme stellt insofern der Bildnisschutz bis 10 Jahre nach dem Tod des Abgebildeten dar (vgl. § 22 S.3 KUG), eine ungeschriebene kann sich aus einer Güter- und Interessenabwägung zugunsten des Ansehen der verstorbenen Person ergeben.[25]

Urheberpersönlichkeitsrecht(e)

Eng verwandt, aber rechtlich selbstständig steht das Urheberpersönlichkeitsrecht neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.[26] Jenes ist allerdings nur im Zusammenhang mit urheberrechtlich schutzfähigen Werken[27] anwendbar, d.h. außerhalb dieses Bereichs bleibt Raum für die Anwendung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Das Urheberpersönlichkeitsrecht umfasst nicht nur die im vierten Abschnitt des UrhG genannten einzelnen Rechte, nämlich

  • das Veröffentlichungsrecht(§ 12 UrhG), also das Recht des Urhebers zur Entscheidung darüber, ob und wann sein Werk (erstmals) veröffentlicht wird, um im Rechtsverkehr wirtschaftlich verwertet zu werden.[28]
  • das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG), also das Recht des Urhebers, gegen jeden vorzugehen, der ihm seine Urheberschaft streitig macht und das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen, und
  • das Recht, Entstellungen und andere Beeinträchtigungen des Werkes zu verbieten (§ 14 UrhG), die geeignet sind, die geistigen und persönlichen Interessen des Urhebers an der Integrität des Werkes zu gefährden.

Das Urheberpersönlichkeitsrecht schützt in einem weiteren Sinne alle geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk (§ 11 S.1 UrhG).[29] Diese kommen bei sämtlichen Urheberrechten (auch Verwertungsrechten) unterschiedlich stark zum Ausdruck: So steckt ein persönlichkeitsrechtlicher Kern z.B. im Recht des Urhebers auf Zugang zu den Werkstücken (§ 25 Abs. 1 UrhG), im Grundsatz der Unübertragbarkeit (§ 29 UrhG) sowie im grundsätzlichen Änderungsverbot im Rahmen der vertraglichen Werknutzung (§ 39 Abs. 1 UrhG) und im Erfordernis der Quellenangabe (§ 63 UrhG).[30] Auch die Möglichkeit, bei Urheberrechtsverletzungen gem. § 97 Abs. 2 UrhG Ersatz für immateriellen Schaden zu erlangen, bringt den Schutz der persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk zum Ausdruck.[31]

Der Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts beginnt mit Schöpfung des Werkes und endet grundsätzlich mit Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist (nicht wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem Tode der betroffenen Person!); dieser verlängerte Schutz erklärt sich aus der untrennbaren Einheit von materiellen und immateriellen Interessen im Urheberrecht, die solange fortbestehen muss, bis das Urheberrecht als Ganzes 70 Jahre nach Tod des Urhebers erlischt.[32]

Da das Urheberpersönlichkeitsrecht das geistige Band zwischen Urheber und Werk, also seine persönlichen Interessen, Gefühle, Wahrnehmungen und Ansichten schützt, ist es nicht übertragbar (vgl. § 29 Abs. 1 UrhG). Deswegen lizensieren Lizenzmodelle, wie z.B. Creative Commons, Urheberpersönlichkeitsrechte ebenso wenig mit wie das Recht auf Privatheit, auf Datenschutz und/oder andere Persönlichkeitsrechte.[33] Zu beachten gilt jedoch, dass die Lizenzverträge jeweils einen Verzicht auf die Durchsetzung des Urheberpersönlichkeitsrechts vorsehen, soweit dieser zur Ausübung der lizenzierten Rechte erforderlich ist.[34] Bei Unterwerfung unter ein solches Modell ist der Urheber also in gewissem Maß in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht eingeschränkt.

Anders als das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Urheberpersönlichkeitsrecht allerdings vererblich (§ 28 Abs. 1 UrhG) und geht – bei Fehlen einer anderweitigen testamentarischen Anordnung – auf den Rechtsnachfolger über (vgl. §§ 1922ff. BGB). Dabei gilt es aber zu beachten, dass die „maßgeblichen Urheberinteressen Jahre oder Jahrzehnte nach dem Tod des Urhebers nicht notwendig dasselbe Gewicht haben wie zu seinen Lebzeiten“[35]; es ist vor der Geltendmachung also stets eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall vorzunehmen.

Sollte das Urheberpersönlichkeitsrecht tatsächlich einmal durch Nutzung eines Werkes verletzt werden, hat der Urheber gem. § 97 Abs. 2 S.4 UrhG ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, soweit dies der Billigkeit entspricht.

Fußnoten

[1] Dreier, H. in: Dreier, H. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 I Rn. 8.

[2] Jarass, H. in: Jarass, H. und Pieroth, B. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 36.

[3] = Grundrechte-Charta der Europäischen Union

[4] = Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

[5] = Allgemeine Erklärung für Menschenrechte

[6] = Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie

[7] Dreier, H. in: Dreier, H. (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 1, 3. Aufl. 2013, Art. 2 I Rn. 73.

[8] = Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

[9] Dietz-Polte, C. in: Wandtke, A.-A. (Hrsg.), Urheberrecht, 5. Aufl. 2016, 3. Kap. Rn. 1.

[10] BVerfGE 54, 148, 153.

[11] BVerfGE 79, 256, 268.

[12] Jarass, H. in: Jarass, H. und Pieroth, B. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 39.

[13] BVerfGE 101, 361, 382.

[14] Jarass, H. in: Jarass, H. und Pieroth, B. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 40f.

[15] BVerfGE 130, 1, 35.

[16] BVerfGE 130, 1, 35.

[17] Jarass, H. in: Jarass, H. und Pieroth, B. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 57.

[18] Jarass, H. in: Jarass, H. und Pieroth, B. (Hrsg.), Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 2 Rn. 45.

[19] BVerfGE 75, 369, 380)

[20] BVerfGE 99, 185, 194.

[21] BVerfGE 99, 185, 194.

[22] Sprau, H. in: Palandt, O. (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 76.Aufl. 2017, § 823 Rn. 19 und 83ff.

[23] Sprau, H. in: Palandt, O. (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 76.Aufl. 2017, § 823 Rn. 129.

[24] BGH NJW 2012, 1728.

[25] Schulze, G. in: Dreier, T. und Schulze, G., Urheberrechtsgesetz Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kunsturhebergesetz Kommentar, 5. Auflage 2015, Vor § 12 Rn. 7.

[26] Schulze, G. in: Dreier, T. und Schulze, G., Urheberrechtsgesetz Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kunsturhebergesetz Kommentar, 5. Auflage 2015, Vor § 12 Rn. 5.

[27] Siehe dazu https://www.clarin-d.de/de/was-faellt-unter-den-schutz-des-urheberrechts

[28] BGH GRUR 2011, 134.

[29] Schulze, G. in: Dreier, T. und Schulze, G., Urheberrechtsgesetz Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kunsturhebergesetz Kommentar, 5. Auflage 2015, Vor § 12 Rn. 1.

[30] Dietz-Polte, C. in: Wandtke, A.-A. (Hrsg.), Urheberrecht, 5. Aufl. 2016, 3. Kap. Rn. 2.

[31] Dietz-Polte, C. in: Wandtke, A.-A. (Hrsg.), Urheberrecht, 5. Aufl. 2016, 3. Kap. Rn. 2.

[32] Schulze, G. in: Dreier, T. und Schulze, G., Urheberrechtsgesetz Urheberrechtswahrnehmungsgesetz Kunsturhebergesetz Kommentar, 5. Auflage 2015, Vor § 12 Rn. 8.

[33] vgl. z.B. CC BY-NC-ND 4.0 International Public License Abschnitt 2 b Nr. 1 (abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode.de)

[34] vgl. z.B. CC BY-NC-ND 4.0 International Public License Abschnitt 2 b Nr. 1 (abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode.de)

[35] BGH ZUM 2012, 33.

Geschrieben von : Julia Wildgans

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