Urheberrechtlich geschützte Werke: Was ist überhaupt urheberrechtlich geschützt?
Das Werk - Ein Schlüsselbegriff des Urheberrechts
Als Grundregel kann für Sie zunächst gelten: Alle Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke urheberrechtlichen Schutz.
Beispielhaft zählt das deutsche Urheberrechtsgesetz in § 2 folgende Arten von Werken auf:
- “Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;”
z.B. Romane, Zeitschriftenartikel, Journalbeiträge, Gedichte, Kurzgeschichten, Briefe, Verträge, Anleitungen, Slogans; Interviews, öffentliche Reden, Predigten (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt - dazu sogleich) - “Werke der Musik;”
z.B. Lieder, Kompositionen, Tonspuren (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt) - “pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;”
z.B. Choreographien, künstlerische Darbietungen (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt) - “Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke;”
z.B. Gemälde, Zeichnungen, Stiche, Designs, Grafiken von Computerspielen; Skulpturen, architektonische Bauwerke (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt) - “Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden;”
z.B. aufwendig gestaltete Fotografien mit speziellen Gestaltungsmerkmalen (Kontrast, Arrangement der Gegenstände, Belichtung)
Hinweis: Auch wenn eine einfache Fotografie nicht von dieser Werkkategorie erfasst wird, ist der Fotograf nicht schutzlos gestellt. Das UrhG bietet ihm in § 72 UrhG Schutz durch ein sog. verwandtes Schutzrecht für “Lichtbilder”. In seinem Umfang entspricht dessen Schutz dem des Urheberrechts, lediglich die Schutzdauer ist kürzer. - “Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;”
z.B. Filme, Kurzfilme, audiovisuelle Werke (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt) - “Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.”
z.B. Diagramme, Schemata, Modelle, Architektenpläne, Straßenkarten (jeweils vorausgesetzt, dass es sich dabei um eine persönliche geistige Schöpfung handelt)
Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine abschließende Aufzählung; das Gesetz ist offen für neue Werkarten, die erst nach seinem Inkrafttreten entstehen.
Doch was versteht das Gesetz unter einem “Werk”?
Diese Frage beantwortet das Urheberrechtsgesetz zwar in § 2 Abs. 2 UrhG, allerdings hilft dessen Lektüre für die konkrete rechtliche Bewertung eines Sachverhalts wenig: Ein Werk im Sinne des § 2 Abs. 2 UrhG muss eine “persönliche geistige Schöpfung” sein. Vereinfacht kann man sagen, dass ein Text / Bild / Musikstück etc. drei Merkmale aufweisen muss, um als Werk im Sinne des UrhG gelten zu können:
- Es muss von einem Menschen geschaffen worden sein.
Während mit diesem Kriterium früher lediglich von Tieren geschaffene Werke ausgeschlossen wurden, gewinnt es in Zeiten künstlicher Intelligenz und computergesteuerter Herstellungsmechanismen zunehmend an Bedeutung. - Es muss sich um eine geistige Leistung handeln, in der die individuellen Züge des Urhebers zum Ausdruck gelangen. Dies schließt rein “handwerkliche” Tätigkeiten, wie z.B. das spontane Drücken des Auslösers einer Fotokamera, aus.
Grundsätzlich muss das Werk eine gewisse “Schöpfungshöhe” aufweisen; dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Werk zwingend außerordentlich kreativ sein oder etwas “Neues” beinhalten muss. Auch die “kleine Münze” genießt urheberrechtlichen Schutz. - Das Werk muss nach außen wahrnehmbar sein, d.h. solange eine Idee lediglich in der Vorstellung ihres Urhebers existiert, kann es sich nicht um ein Werk im Sinne des UrhG handeln.
Während das erste und das dritte Merkmal wohl in den meisten Fällen leicht feststellbar sein werden, bedarf es bei der Prüfung des zweiten Kriteriums häufig der Kenntnis einschlägiger Gerichtsentscheidungen. Sollten Sie bei der Einordnung des von Ihnen verwendeten Materials als Werk im Sinne des UrhG unsicher sein, ist es empfehlenswert, einen Experten zu Rate zu ziehen. Denn vieles bei der Reichweite des Urheberrechtsschutzes ist - aufgrund der unklaren gesetzlichen Definition - der Einschätzung der Gerichte überlassen und für juristische Laien nur schwer einzuschätzen.
Eindeutig vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind allerdings folgende Gegenstände:
- Bloße Ideen, Verfahren, Vorgehensweisen und mathematische Konzepte
- Fakten, wissenschaftliche Erkenntnisse, Lehren, Theorien und abstrakte Funktionsweisen (wie die eines Text-Editors)
- Amtliche Werke (Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse, Bekanntmachungen, Entscheidungen, amtlich verfasste Leitsätze zu Entscheidungen und andere Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht wurden)
Das geschützte Werk als immaterielles Gut
Urheberrechtlich geschützt ist der geistige Gehalt eines Werks. Dafür muss das Werk nicht in einem körperlichen Werk fixiert sein. Daher können beispielsweise auch spontane Vorträge und musikalische Improvisationen urheberrechtlichen Schutz genießen.
An dieser Stelle offenbart sich ein ganz wesentlicher Unterschied des deutschen (und des gesamten europäischen) Rechts zu den Rechtssystemen des common law (v.a. in UK und USA): Denn diese setzen für die Entstehung von Urheberrechten voraus, dass die Werke auf einem beliebigen greifbaren Medium festgehalten werden („fixed in a tangible medium“).
Das geschützte Werk und seine Teile
Das Urheberrecht umfasst nicht nur den Schutz des Werkes als Ganzes, sondern auch seiner Teile. So können auch einzelne Kapitel, Paragraphen oder ein einzelner Satz schutzfähig sein (nicht jedoch ein einzelnes Wort!). Entscheidend ist dabei, ob der jeweilige Teil „hinreichend individuell“ ist (also Schöpfungshöhe aufweist). Dies bestimmt sich allerdings nicht durch quantitative Aspekte, wie beispielsweise eine bestimmte Anzahl an Wörtern.
Allgemein gilt trotzdem: Je größer der Werkteil, desto wahrscheinlicher ist er hinreichend individuell und folglich urheberrechtlich geschützt.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Infopaq-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahre 2009: Im Urteil wurde festgestellt, dass auch “ein[...] Auszug[...] aus einem geschützten Werk, der – wie im Ausgangsverfahren – aus elf aufeinander folgenden Wörtern des Werkes besteht,” urheberrechtlich geschützt sein kann, “wenn ein solcher Auszug [...] einen Bestandteil des Werkes enthält, der als solcher die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringt.”
Bearbeitungen und Übersetzungen
Ist ein Werk einmal veröffentlicht, wird es von anderen Personen u.U. bearbeitet und verändert. Beispielsweise kommt es im Fall von erfolgreichen Romanen häufig zu Übersetzungen oder sogar Verfilmungen. Die Werke, die bei dieser Bearbeitung entstehen (also die Romanübersetzung bzw. das Filmwerk), sind - unter der Voraussetzung des Vorliegens einer persönlichen geistigen Schöpfung - wiederum urheberrechtlich geschützt.
Da z.B. der Übersetzer häufig nicht identisch mit dem Autor (also dem ursprünglichen Urheber) ist, stellt sich die Frage, ob die Bearbeitung möglicherweise Auswirkungen auf das ursprünglich am Werk entstandene Urheberrecht haben kann. Die Frage darauf lautet: Natürlich nicht. Der Urheber behält das Urheberrecht am ursprünglichen Werk.
Erhält der Urheber zusätzlich Rechte an der Bearbeitung? Die Antwort auf diese Frage lautet: Nein. Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters darstellen, werden wie selbständige Werke geschützt. Das heißt, dass der Übersetzer bzw. der Bearbeiter selbst das Urheberrecht an der Übersetzung / Bearbeitung erwirbt. Er ist derjenige, der für die Nutzung der Übersetzung / Bearbeitung um Erlaubnis gefragt werden muss.
Exkurs: ACHTUNG! Möchten Sie selbst ein Werk übersetzen und dies veröffentlichen, handelt es sich bereits bei der Übersetzung um eine grundsätzlich zustimmungspflichtige Nutzungshandlung. Sie müssen also vor der Übersetzung den ursprünglichen Urheber des Werkes grundsätzlich um seine Zustimmung bitten.
Sammelwerke und Datenbankwerke
Insbesondere bei der Nutzung von Daten im Bereich der Korpuslinguistik wird der urheberrechtliche Schutz von Sammelwerken und Datenbankwerken relevant.
So werden Sammlungen von Werken, Daten oder anderen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung sind, unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts wie selbständige Werke geschützt.
Dies betrifft auch Datenbankwerke, deren Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind.
Die Schöpfungshöhe der Sammelwerke und Datenbanken muss sich hier jeweils aus der Auswahl bzw. der Zusammenstellung ihrer Elemente ergeben. Lassen Sie uns dies an einem kurzen Beispiel veranschaulichen: Die Werke von William Shakespeare waren ursprünglich urheberrechtlich geschützt; inzwischen sind sie - wegen Ablauf der Schutzdauer - gemeinfrei, d.h. jeder kann sie nach Belieben nutzen. Trotzdem ist gewisse Vorsicht geboten, denn: Eine Sammlung seiner Werke kann ungeachtet dessen urheberrechtlich geschützt sein - vorausgesetzt, die Auswahl oder Anordnung ihrer Elemente stellt eine persönliche geistige Schöpfung dar.
Beispielsweise können Sie davon ausgehen, dass eine Sammlung mit dem Titel “Meine Lieblingswerke von William Shakespeare” aufgrund ihrer individuellen Auswahl Urheberrechtsschutz genießt (v.a. wenn sich darin weniger bekannte Werke des Autors finden; dies gilt auch dann, wenn die Zusammenstellung für Sie auf den ersten Blick willkürlich erscheint).
Eine Sammlung mit dem Titel “Alle Werke von William Shakespeare” hingegen wäre aufgrund der Auswahl ihrer Elemente wohl nicht urheberrechtlich geschützt. Sie kann aber dennoch aufgrund der besonderen Zusammenstellung der beinhalteten Werke Urheberrechtsschutz genießen. Dafür wird eine chronologische oder alphabetische Zusammenstellung wohl nicht ausreichen; wird aber eine thematische / inhaltliche / o.ä. Gliederung der Werke in der Sammlung vorgenommen, die eine persönliche geistige Schöpfung erkennen lässt (z.B. Einteilung der Werke nach Themen wie “Liebe”, “Hass”, “Krieg”, …), ist ein Urheberrechtsschutz der Sammlung mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Hinweis: Das an der Sammlung (!) bestehende Urheberrecht hat keine Auswirkungen auf das Urheberrecht, das an ihren Elementen besteht. Insbesondere verwehrt das Urheberrecht an der Sammlung keinesfalls die Nutzung der ursprünglichen Werke; auch wenn Sie “Hamlet” oder “Romeo und Julia” aus einer Sammlung entnommen haben, dürfen Sie also die Werke grundsätzlich ohne Zustimmung der Person nutzen, die die Sammlung erstellt hat (und da “Hamlet” bzw. “Romeo und Julia” wegen Ablaufs der Schutzdauer gemeinfrei sind, auch ohne Zustimmung des ursprünglichen Urhebers William Shakespeare; das heißt für Sie: Sie brauchen vor der Nutzung des “Hamlet” gar keine Zustimmung einzuholen ).
Eine Zustimmung der Person, die die Sammlung erstellt hat, benötigen Sie nur, wenn sie die Sammlung als Ganzes in ihrer individuellen Auswahl und Zusammenstellung nutzen möchten. Denn es ist gerade die Auswahl und die Zusammenstellung der Elemente, die die “persönliche geistige Schöpfung” ausmachen, für die dem Ersteller das Urheberrecht gewährt wird.
ALSO ACHTUNG: Prüfen Sie vor Nutzung von Werken aus einer Sammlung genau, ob
- Urheberrechte am jeweiligen Werk selbst bestehen (dann dürfen Sie das Werk grundsätzlich nicht ohne Zustimmung des ursprünglichen Urhebers verwenden),
- die Person, die die Sammlung erstellt hat, Auslassungen / Ergänzungen / Hinweise in das jeweils ursprüngliche Werk aufgenommen hat (dann dürfen Sie das Werk grundsätzlich nicht ohne Zustimmung dieser Person verwenden) und
- wirklich nur das einzelne Werk oder doch ein Ausschnitt der Sammlung - vor allem wegen der individuellen Zusammenstellung der Elemente - genutzt wird (dann bedürfen Sie zur Nutzung des Werkes u.U. der Zustimmung des Urhebers und der Person, die die Sammlung zusammengestellt hat).
Entstehung und Schutzdauer: Muss das Urheberrecht angemeldet werden? Und wie lange besteht es?
Das Urheberrecht entsteht bei Schöpfung des Werkes. Es bedarf keiner Anmeldung und keiner Veröffentlichung. Auch das weit verbreitete Copyright-Zeichen hat keine Auswirkungen auf den urheberrechtlichen Status eines Werkes.
Wann endet das Urheberrecht? Jedes urheberrechtlich geschützte Werk hat eine bestimmte Schutzdauer, nach deren Ablauf die Urheber und andere Rechteinhaber die exklusiven Verwertungsrechte am Material verlieren und das Werk in Gemeingut übergeht.
In den meisten Fällen und in den meisten Rechtsordnungen (inklusive der Vereinigten Staaten und aller EU-Mitgliedstaaten seit der Richtlinie zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts 1993 (93/98/EWG)) beträgt die Schutzdauer 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, unabhängig davon, wann das Werk entstanden ist. Danach ist das Werk frei nutzbar für jeden (wenngleich das Urheberpersönlichkeitsrecht geachtet werden muss – dies läuft nie aus). Ausnahmen dieser Regel sind möglich (vgl. dazu §§ 65, 66, 70, 71 UrhG).
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